Der kommunale Haushalt - Ein Buch mit 7 Siegeln?
von Annegret Harms
Finanzreferentin der SPD Fraktion
Beschreibt man die Gefühlslage der Unterschleißheimer Stadträtinnen und Stadträte im Frühjahr 2015, als Bürgermeister Christoph Böck mitteilte, dass 20 Millionen Euro Gewerbesteuer an ein Unternehmen zurückgezahlt werden müssen, so kann man sie als eine kurzzeitige Schockstarre bezeichnen. Eine unerwartete Situation, die vieles auf den Kopf stellte. Geplante Investitionen, die in der Haushaltsplanung 2015 waren wie etwa das Thermalaußenbecken am Hallenbad, die Sanierung und Erweiterung der Michael-Ende-Schule, der Neubau einer Fahrzeughalle für das Rote Kreuz, die Installation der Ampelanlage nach Riedmoos und die Rathauserweiterung wurden haushaltärisch „geschoben“.
Betrachtet man jetzt zu Beginn des neuen Jahres rückschauend die Haushaltssituation 2015, so ist die Gefühlslage der Stadträtinnen und Stadträte in einem ruhigen Fahrwasser, denn die Gewerbesteuereinnahmen liegen am Jahresende bei rund 65 Millionen. Das läßt für das Haushaltsjahr 2016 mit einem vorsichtigen Gewerbesteuerplanungsansatz von 45 Millionen einen positiven realistischen Ausblick zu. Die Rücklage, also das Ersparte liegt bei 53 Millionen. Zwei Großprojekte, die im Entstehen sind, nämlich der Neubau der Realschule und der Erweiterungsbau des Carl-Orff-Gymnasium können ohne eine Kreditaufnahme aus dem Stadtsäckl mitfinanziert werden.
Hoffen wir für alle im Stadtrat vertretenden Fraktionen, dass die sogenannte Gefühlslage der Schockstarre 2016 ausbleibt. Die geplanten Investionen sind zum Teil in die Beratungs- und Planungsphasen zur Erstellung des Haushaltes wieder aufgenommen worden und sollen in Anbetracht der Haushaltslage in den nächsten Jahren realisiert werden. Haushaltärische Dauerpessimisten, die schwarze Szenarien an die Wand gemalt haben sind etwas leiser geworden.
Jedoch ist die Erstellung eines Haushaltsplanes, der bis zum Jahre 2019 in der Vorausplanung ist, mit großen Unwegsamkeiten verbunden. Firmenpolitische Veränderungen und konjunkturelle Situationen sind manchmal für die öffentlichen Haushalte schwer vorraussehbar und führen zwangsläufig zu notwendigen Korrekturen. Es gibt eben keine Garantie dafür, dass die Einnahmen dauerhaft so bleiben oder steigen und in dem Tempo mithalten, wie die konsumtiven und investiven Auszahlungen einer Kommune es vorgeben.
Es stellt sich die Frage, was kann sich Unterschleißheim neben den kommunalen Pflichtaufgaben an sogenannten freiwilligen Leistungen leisten? Wie groß ist der finanzielle Spielraum? In Anbetracht des barrierefreien Ausbaus des S-Bahnhofes Unterschleißheim will die Stadt 5.5 Millionen Euro neben der Kostenübernahme , die von der Bahn AG getragen wird, für Verbesserungsmaßnahmen ausgeben. Allein die Einhausung des Bahnsteiges soll 1.5 Millionen Euro kosten. Dazu ist die kritische Nachfrage der SPD Fraktion angebracht: was ist notwendig und wo fangen Luxusausgaben an, die uns viel Geld kosten. Hinzu kommt, dass diese Investionen auch Folgekosten mit sich bringen, die zukünftig die Ausgabenseite erheblich belasten. Zusätzlich dazu sind die jährlichen Abschreibungen der Investionen mit in Betracht zu ziehen und in den Haushalt mit aufzunehmen. Nicht alles was wünschenswert ist, (ein kleiner Seitenhieb auf den politischen Gegner sei erlaubt) lässt sich auch finanzieren.
In erster Linie steht eine seriöse Haushaltspolitik für eine gute Lebensqualität in der Stadt, für gute städtische Dienstleistungen und eine gute Infrastruktur. Hier ist Unterschleißheim vorbildlich aufgestellt und man kann von einer Wohlfühlstadt sprechen. Die erfolgreiche Wirtschaftspolitik der letzten Jahre und die damit verbundenen Gewerbesteuereinnahmen haben dafür eine gute Grundlage geschaffen.
Investionen in den Schulstandort Unterschleißheim, wie der Ausbau der Michael-Ende Grundschule zur Ganztagsschule sind zukunftsweisend und zeigen, dass der Bürgermeister mit seinem Stadtrat, (auch wenn einige sich noch nicht mit den gesellschaftlichen Veränderungen wie z. B. die Vereinbarkeit von Familie und Beruf abfinden können) haushaltärisch die Weichen gestellt und die Zeichen der Zeit erkannt hat. Der Aus- und Umbau der Grundschulen an der Johann-Schmid-Straße und der Ganghofer-Straße zu Ganztagsschulen, der soziale Wohnungsbau, das betreute Wohnen für Senioren, steigende Sozialleistungen und Unterbringunsmöglichkeiten für Flüchtlinge sind einige Beispiele für die weiteren finanziellen Herausforderungen unserer Stadt. Unterschiedlich gesetzte Prioritäten der einzelnen Fraktionen in den Haushaltsdebatten (es gibt ja auch in Unterschleißheim ein unterschiedliches Wählerklientel) zeigen eine leidenschaftliche Diskussions- und Kompromißkultur und bringen zum Schluss oft einstimmige Beschlüsse hervor.
Der Haushalt etwas sarkastisch betrachtet, ein Buch mit sieben Siegeln, ist ein kompliziertes, nicht immer verständliches und durchschaubares lebendiges Zahlengebilde mit zwei Buchseiten: Eine verführerische Vorderseite, die so manchem Stadtrat ein begehrliches Funkeln in die Augen zaubert (die nächste Wahl kommt bestimmt) und eine nackte Rückseite, die trotz einer realistischen Vorplanung so manchen Stadtrat in den Abgrund eines finanziellen Ruins schauen lässt und zur Kaffeeleserei und zu Prognosen verführt, die in unterschiedlichen Zeitabfolgen auf- und abwärts gehen. Ein perfektes Drehbuch, das in jedem Haushaltsjahr einen lang anhaltenden Spannungbogen enthält und erst am Jahresende als gelöster Fall anzusehen ist.
Unterschleißheim ist mit seinem Bürgermeister Christoph Böck und dem Stadtrat auf einem guten Weg, alle Herausforderungen mit Maß, Weitsicht und Umsichtigkeit anzugehen und zu bewältigen. Die Stadt geht gut vorbereitet in die Zukunft und als gebürtige Norddeutsche darf ich sagen: Wir trotzen den Stürmen, die da kommen.